Am 11. Juli 2020 wurde im Düsseldorfer Amtsblatt eine Allgemeinverfügung zur Untersagung des Inverkehrbringens von Cannabidiol haltigen (CBD) Lebensmitteln im Stadtgebiet von Düsseldorf veröffentlicht.
Die Firma MH medical hemp entwickelte zeitgleich, wie viele Hersteller seinerzeit, ein kosmetisches Mundpflegespray mit Hanfblattextrakt. Denn eine kosmetische Studie aus Belgien hatte herausgefunden, dass CBD im Mundraum einen antibakteriellen Effekt entfaltet. Ein entsprechendes kosmetisches Produkt wurde in den Verkehr gebracht, es lagen die Notifizierung für das Produkt und der entsprechende Sicherheitsbericht vor. Die Firma MH medical hemp fand die Ergebnisse dieser Studie so beeindruckend, dass es selbst beabsichtigte, kosmetische Studien in Auftrag zu geben, um weitere Erkenntnisse für dieses „Zahnpflegeprodukt 2.0“ zu gewinnen.
Allerdings untersagte die Stadt Düsseldorf am 24.2.2023 den weiteren Vertrieb der „CBD 5% und 10% Mundpflegesprays“, da diese Produkte als Lebensmittel eingestuft wurden, und sie angeblich der oben genannten Allgemeinverfügung unterfallen würden. Es wurde ein Zwangsgeld für den Fall des Verstoßes in Höhe von 10.000 € angedroht.
Gegen diese Verfügung wurde Anfechtungsklage erhoben, und ein Eilverfahren beim Verwaltungsgericht Düsseldorf eingeleitet, mit dem Ziel, die sofortige Vollziehung dieser Verfügung aufzuheben. Am 22. Juni 2023 entschied dann das Verwaltungsgericht Düsseldorf, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Untersagungsverfügung wiederhergestellt wird, sodass die Produkte weiter vertrieben werden konnten. Wenn auch aufgrund der speziellen Marktlage für CBD-Produkte aufgrund der anhaltenden Behördenaktivitäten nur in bescheidenem Umfang.
Das Produkt war eindeutig als Kosmetikum gekennzeichnet, außerdem wurden Gebrauchshinweise auf der Verpackung angebracht, nach denen das Produkt nicht zum Verzehr geeignet ist, es 30 Sekunden im Mundraum gespült werden soll, um es dann auszuspucken. Damit läge keine Aufnahme über den Magen-Darm-Trakt vor, und es sei nicht davon auszugehen, dass die Verbraucher sich über die angegebenen Gebrauchshinweise hinwegsetzen. Dieser Argumentation folgte das Verwaltungsgericht Düsseldorf in dieser Entscheidung noch, genauso wie das Verwaltungsgericht Hamburg und das hanseatische Oberverwaltungsgericht.
Am 25.10.2024 fand dann die Hauptverhandlung über die Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf statt (26 K 2072/23). Nach der Definition in Art. 2 Abs. 1 der Lebensmittelbasis (Verordnung (EG) Nummer 178/2002) müssen die Stoffe oder Erzeugnisse zur Aufnahme durch den Menschen entweder bestimmt sein (Alt. 1), oder eine solche Aufnahme muss nach vernünftigem Ermessen erwartet werden können (Alt. 2). Das Gericht geht davon aus, dass unabhängig von der Zweckbestimmung nach „vernünftigem Ermessen“ erwartet werden kann, dass eine Aufnahme der Mundpflege-Produkte im Sinne eines Passierens des Magen-Darm-Trakts erfolgt.
Das Merkmal der Erwartbarkeit der Aufnahme nach vernünftigem Ermessen werde in den Fällen relevant, in denen die subjektive Zweckbestimmung durch den Inverkehrbringer einer objektiven Korrektur bedarf. Wenn aus objektivierter Sicht die Aufnahme durch den Menschen zu erwarten ist, könne der Stoff oder das Erzeugnis nicht durch eine abweichende subjektive Zweckbestimmung des Herstellers dem Lebensmittelbegriff und somit der Anwendung des Lebensmittelrechts entzogen werden.
Das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgerichts Hamburg haben bei der Auslegung des „vernünftigen Ermessens“ auf die Erwartbarkeit der Aufnahme bei „bestimmungsgemäßer Anwendung“ der angesprochenen Verbraucherkreise abgestellt. Nach dem Verwaltungsgericht Düsseldorf sei aber bei der Erwartbarkeit der Aufnahme „nach vernünftigem Ermessen“ auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher nach allgemeiner Erfahrung abzustellen, und nicht auf den angesprochenen Verbraucher. Insofern bestehe jedoch nach objektiver Verkehrsauffassung eine mittlerweile gefestigte Erwartung dahingehend, dass CBD-Öle als „Lifestyle“-Produkte zur oralen Einnahme anzusehen sind, von denen sich die Konsumenten positive gesundheitliche Wirkungen erhoffen würden.
Kosmetische Mittel müssen darüber hinaus nach der Definition der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 einen ausschließlichen oder zumindest überwiegenden kosmetischen Zweck haben. Aus dieser Systematik lasse sich schließen, dass die Ausschließlichkeit oder das Überwiegen positiv festgestellt werden müsse. Eine generell bestehende Möglichkeit, dass von den Mundpflege-Produkten eine antimikrobielle Wirkung im Mundraum ausgeht, vermöge ein solches Überwiegen im Hinblick auf die zuvor festgestellte Lebensmitteleigenschaft nicht zu begründen. Die Übertragbarkeit der kosmetischen Studie aus Belgien auf den hiesigen Fall könne damit dahinstehen. Im Übrigen sei der Schluss unzulässig, dass die subjektive Zweckbestimmung des Lebensmittelunternehmers derart in den Vordergrund rückt, dass der Verbraucher die Produkte überwiegend zur Pflege der Mundhöhle und/oder Zähne nutze.
Die Auslegung des Begriffes „vernünftiges Ermessen“ der europäischen Lebensmittelbasisverordnung ist unserer Ansicht nach falsch, da die Eigenverantwortung des Verbrauchers unterschätzt wird, und Unternehmen daran gehindert werden, einen sogenannten „Dual-Use“ von Inhaltsstoffen (Vitamine, Mineralstoffe etc.) zu ermöglichen, um damit Produkte in den Markt zu bringen, die sowohl eine kosmetische Funktion haben und als Kosmetikprodukt angeboten werden, aber eben auch in einer Lebensmittel-Rezeptur Anwendung finden können.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat aber auch dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln (Urteil vom 22.3.2022, AZ: 7 K 954/20) aus dem Jahr 2022 und dem zugrunde liegenden Bescheid des BfArM vom 12.7.2019 eine klare Absage erteilt. Das Gericht stellte nämlich fest, dass es sich bei den Mundpflege-Produkten nicht um Funktionsarzneimittel handelt. Die pharmakologische Wirkung eines Stoffes kann grundsätzlich nur dann vorliegen, wenn sie eine gewisse „Erheblichkeitsschwelle“ überschreitet. Eingriffe in die Körperfunktionen, die völlig unerheblich seien, können dagegen die Zuordnung zu den Arzneimitteln nicht rechtfertigen. Es müsse zumindest ein halbwegs gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisstand vorliegen, der einen tragfähigen Rückschluss auf die erhebliche pharmakologische Wirkung des jeweiligen Produktes erlaube. Denn eine Einstufung als Arzneimittel dürfe nicht „auf Verdacht“ erfolgen, um den freien Warenverkehr nicht mehr als nötig einzuschränken.
Eine Übertragung des Bescheids des BfArM aus dem Jahre 2019 könne nur unter der Prämisse erfolgen, dass die Mundpflege-Produkte empfehlungswidrig verwendet werden, was jedoch nicht mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stünde.
Das Gericht räumt zwar ein, dass sich eine pharmakologische Wirkung schon unterhalb der therapeutischen Wirksamkeit eines Wirkstoffs aufbaut und nicht abrupt mit dem Erreichen dieser Wirksamkeitsschwelle einsetze. Die Einstufung als erheblicher pharmakologischer Effekt könne aber allenfalls für eine Dosierung „knapp unterhalb“ der Wirksamkeitsschwelle gelten, nicht jedoch für eine Dosierung von weniger als einem Zehntel, wie bei den Mundpflege-Produkten. Eine im arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren nachgewiesene therapeutische Wirksamkeit eines Stoffes rechtfertige daher nicht ausnahmslos und unabhängig von der Dosierung einen Erst-Recht-Schluss hinsichtlich der Annahme einer erheblichen pharmakologischen Wirkung.
Für die Annahme einer erheblichen pharmakologischen Wirkung fehle es demnach bereits an einer entsprechenden Studienlage. In diesen Fällen sei es nicht Aufgabe des Gerichts, den wissenschaftlichen Nachweis einer erheblichen pharmakologischen Wirkung, etwa durch eine klinische Studie, zu erbringen. Vielmehr sei in diesen Fällen der Schutz durch lebensmittelrechtliche Regelungen ausreichend, die somit ihrer Natur als Auffangtatbestand gerecht werden. Das Lebensmittelrecht orientiert sich zum Teil sogar an strengeren Maßstäben als das Arzneimittelrecht, da Lebensmittel sicher sein müssen. Die Zulassung eines Arzneimittels könne auch dann erfolgen, wenn unerwünschte Wirkungen gemeldet wurden, die Vorteile aber größer als die Risiken eingeschätzt werden.
Eine Einordnung der Mundpflege-Produkte als Arzneimittel ergebe sich auch nicht aus der Verschreibungspflichtigkeit von CBD entsprechend der Anlage 1 der Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (AMVV). Diese Verordnung gelte nämlich nur für Arzneimittel, die CBD enthalten. Die Arzneimitteleigenschaft wäre demnach bereits von der Verordnung vorausgesetzt, worauf nicht der Umkehrschluss gezogen werden könne, dass die dort aufgelisteten Stoffe bei ihrer Verwendung jedes Mittel zum Arzneimittel machen.
Schließlich sei für die Einordnung als Lebensmittel auch unschädlich, dass die streitgegenständlichen Produkte keinen konkreten Ernährungszweck erfüllen. Die Definition des Lebensmittelbegriffs setze einen solchen nicht voraus.
Diese Feststellungen sind ein wichtiger Meilenstein für die gesamte Hanf- und CBD-Branche, denn niedrigdosierte CBD-Öle sind damit keine Funktionsarzneimittel, sondern entweder Lebensmittel oder Kosmetik, je nach der entsprechenden Zweckbestimmung des Produktes (siehe auch Artikel CBD als Medizin).
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