Seit März 2017 ist medizinisches Cannabis in Deutschland legal. Gab es vor der Gesetzesänderung lediglich ca. 1.000 Ausnahmegenehmigungen, ist die Zahl der Anträge bei den Krankenkassen, die die Kosten der Versorgung von Patienten mit medizinischem Cannabis übernehmen müssen, bis März 2018 auf 13.000 gestiegen. Laut letzten Zahlen wurden ca. 60 % der Anträge auf Kostenübernahme genehmigt.
Import von Cannabis
Um den steigenden Bedarf zu decken, ist Deutschland einerseits auf den Import von medizinischem Cannabis aus dem Ausland angewiesen. Wie das Bundesgesundheitsministerium bekannt gab, reichten insgesamt elf Antragsteller beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizintechnik (BfArM) einen Antrag für eine Importerlaubnis für Cannabis zu medizinischen Zwecken ein. Im Zeitraum vom September 2017 bis März 2018 wurden Importanträge im Umfang von über 2100 kg medizinischem Cannabis genehmigt. Einen Überblick über die bisherigen Importeure und deren Produkte findet man beim Onlineportal krautinvest (https://krautinvest.de/cannabis-haendler-und-importeure-ein-ueberblick/). Laut Auskunft des Ministeriums stehen noch weitere Anträge vor ihrer Bearbeitung: seit September 2017 haben die Importerlaubnisinhaber Anträge zur Erhöhung der Jahreshöchstmenge gestellt und dabei einen Bedarf von 10.900 kg angegeben, zwei weitere Anträge mit einem Volumen von insgesamt 10.400 kg sind darüber hinaus in der Bearbeitung (https://hanfverband.de/nachrichten/news/bundesgesundheitsministerium-veroeffentlicht-neue-zahlen-zu-cannabis-als-medizin).
Voraussetzung für den Import ist, dass das Cannabis nachweislich aus einem Anbau stammt, der zu medizinischen Zwecken unter staatlicher Kontrolle gemäß den Artikeln 23 und 28 Abs. 1 des Einheitsübereinkommens von 1961 über Suchtstoffe erfolgt. Zusätzlich zu der bundesbehördlichen betäubungsmittelrechtlichen Erlaubnisprüfung werden noch weitere landesbehördliche Erlaubnisse nach dem Arzneimittelgesetz verlangt, so wie die Einfuhrerlaubnis, die Großhandelserlaubnis und die Herstellungserlaubnis.
Das importierende Unternehmen muss einen Betäubungsmittelverantwortlichen benennen, der eine ausreichende Sachkenntnis hat. Die Sachkenntnis kann unter anderem durch das beendete Hochschulstudium der Biologie, Chemie, Pharmazie oder Human-/Veterinärmedizin oder durch das Zeugnis über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Kaufmann im Großhandel in den Fachbereichen Chemie oder Pharma und durch die Bestätigung einer mindestens einjährigen praktischen Tätigkeit im Betäubungsmittelverkehr nachgewiesen werden.
Ferner müssen vom Importbetrieb umfangreiche Sicherungsmaßnahmen eingeführt und nachgewiesen werden, und zwar in Bezug auf die Aufbewahrung in Schränken, Räumen, bei der elektrischen Überwachung und der Aufschaltung der Alarmierung zur Polizei.
Bezüglich des zu importierenden medizinischen Cannabis muss mitgeteilt werden, welche Sorten von Cannabisblüten bzw. welche Zubereitungen gehandelt werden sollen, von welchem Unternehmen und aus welchem Anbauland das Cannabis mit welcher Jahreshöchstmenge bezogen werden soll. Ferner muss eine arzneimittelrechtliche Freigabe der Produkte in Deutschland anhand der Vorgaben der guten Praxis für die Sammlung und den Anbau von Arzneipflanzen (Good Agricultural and Collection Practice, GACP), den Vorgaben der Monographie „Cannabisblüten“ des Deutschen Arzneibuches und den weiteren relevanten Monographien und Leitlinien erfolgen. Sofern bereits Spezifikationen für diese Produkte vorhanden sind, müssen diese ebenfalls mitgeteilt und im Rahmen der Freigabe beurteilt werden. Beschränkungen auf bestimmte Cannabissorten sind nicht festgeschrieben.
Für das Antragsverfahren der Importlizenz ist die Bundesopiumstelle zuständig.
Anbau von Cannabis in Deutschland
Um den weiteren Bedarf an medizinischen Cannabis zu decken, sieht die Gesetzesänderung auch die Produktion von medizinischem Cannabis in Deutschland vor. Hierfür ist die Cannabisagentur als Fachabteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zuständig. Sie sorgt für die Kontrolle des Anbaus, der Ernte, Verarbeitung, Qualitätsprüfung, Lagerungsverpackung sowie die Abgabe an Großhändler und Apotheker oder Hersteller. Die Cannabisagentur wird das Cannabis für medizinische Zwecke nach der Ernte in Besitz nehmen, wobei die Ernte allerdings nicht ins BfArM transportiert wird, sondern die Distribution von den jeweiligen Anbaubetrieben bzw. den weiteren beauftragten Unternehmen übernommen wird.
Der Anbau erfolgt also durch Unternehmen, die in einem europaweiten Ausschreibungsverfahren ausgewählt und von der Cannabisagentur beauftragt werden. Der Anbau von Cannabis in Deutschland erfolgt ausschließlich zu medizinischen Zwecken, es handelt sich um ein Arzneimittel. Als solches muss es ebenfalls den Vorgaben der GACP und der Monographie „Cannabisblüten“ (DAB) entsprechen. Anschließend wird die Cannabisagentur einen Herstellerabgabepreis festlegen und das medizinische Cannabis an Hersteller von Cannabisarzneimitteln, Großhändler oder Apotheken verkaufen. Gewinne oder Überschüsse darf die Agentur dabei nicht erzielen. Auf den tatsächlichen Abgabepreis in der Apotheke hat die Cannabisagentur jedoch keinen Einfluss.
Das erste Vergabeverfahren, dessen Frist im Juni 2017 abgelaufen ist, sah die Vergabe von Lizenzen für den Anbau von insgesamt 6600kg für die Zeit von 2019-2022 vor. Da die Bewerber aber bereits fundierte Erfahrungen auf dem Gebiet der Herstellung von medizinischem Cannabis vorweisen mussten, waren deutsche Firmen von der Ausschreibung faktisch ausgeschlossen, was zu einer Unterbrechung der Ausschreibung und einem Vergabeverfahren vor dem OLG Düsseldorf geführt hat. Einer der Antragsteller war die deutsche Firma Lexamed. Im Ergebnis hat das Gericht entschieden, dass im Vergabeverfahren handwerkliche Fehler bei der Ausschreibung unterlaufen sind und auf der Grundlage des abgeschlossenen Vergabeverfahrens keine Lizenzen vergeben werden dürfen. Es ist damit zu rechnen, dass die Ausschreibung vollständig wiederholt werden muss und hierzu demnächst weitere Informationen vom BfArM bekannt gegeben werden.
Da der Bedarf an medizinischen Cannabis weiter stetig steigt, der von der Bundesregierung prognostizierte Bedarf ist bereits Anfang des Jahres bei weitem überschritten worden, ist mit weiteren Ausschreibungsverfahren der Cannabisagentur zu rechnen.
Vollständige Legalisierung
Die Partei die Grünen hat im Juli 2017 einen Gesetzesentwurf zur vollständigen Legalisierung von Cannabis in den Deutschen Bundestag eingebracht, das sogenannte Cannabiskontrollgesetz. Das Gesetz sah eine vollständige Entkriminalisierung der Nutzer und einen regulierten Markt für Anbau, Großhandel, Fachgeschäfte, Verarbeitung und Import vor. Während der Verhandlungen der Jamaika Koalition zeigte sich auch die FDP für eine Legalisierung offen, in der Opposition auch die Linkspartei. Während im Koalitionsvertrag der aktuellen großen Koalition die Legalisierung keinen Niederschlag findet, sind im Bundestag doch mehrere Initiativen zu Modellprojekten für eine kontrollierte Cannabisabgabe eingebracht worden, deren Abstimmung noch aussteht. Hierfür hat sich in der Diskussion die mitregierende SPD überraschend offen gezeigt. Da sich die gesellschaftliche Diskussion zur Legalisierung weiter lebendig gestaltet, so hat zuletzt der Bund der deutschen Kriminalbeamten eine Legalisierung befürwortet, bleibt spannend, wie sich die große Koalition in zwei Jahren bei der geplanten Evaluation der bisherigen Regierungszusammenarbeit zu diesem Thema positioniert.
Rechtsanwalt Kai-Friedrich Niermann, Lawyer