Die Weichen in der Drogen und Suchtpolitik in Deutschland müssen neu gestellt werden: Der illegale Drogenmarkt wächst, die Zahl der Opfer aufgrund missbräuchlichen Drogenkonsums auch, Die Zahl der Süchtigen und Konsumenten legaler und illegaler Drogen nimmt nicht ab, sondern wächst in einigen Bereichen und verlagert sich von einer Stoffgruppe zur nächsten. Beratung und Prävention bleiben auf der Strecke. Die Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Drogen und Suchtstoffen entbehrt immer mehr an Glaubwürdigkeit.
Eine Drogenpolitik, die den Schutz und die Prävention in den Mittelpunkt stellen würde, sieht anders aus. Wir fahren seit Jahren in Deutschland drogenpolitisch im Kreis, nichts bewegt sich mehr, obwohl sinnvolle Vorschläge seit Jahren in der Öffentlichkeit diskutiert werden und auch dem Bundestag nicht unbekannt geblieben sind.
Daher sind die Anregungen z.B. von Kofi Annan, dem ehemaligen Generalsekretär der UN, so besonders. Ein Nährboden für Korruption, Kriminalität, Terror, Menschenhandel und warlords ist der sog. „Krieg gegen Drogen“. Die Illusion, dass es eine drogenfreie Welt geben könnte, zerstört mehr Hoffnungen gerade der armen Menschen in vielen Ländern und macht sie zum Teil eines milliardenschweren Marktes. Ich wünsche mir, dass auch in Deutschland der Weg einer entkriminalisierten und regulierten Drogenpolitik beschritten wird.
4 Punkte, die jetzt notwendig sind:
- Wir brauchen eine ad-hoc-Kommission, die die Auswirkungen des Betäubungsmittelgesetzes diskutiert und die derzeitige rasante Entwicklung in anderen Ländern wie Kanada, Uruguay oder in den Bundesstaaten der USA bewertet. Eine schnell einzusetzende Kommission würde die notwendige Evaluierung leisten können, Argumente abwägen und Sachverstand in den politischen Raum für die Debatte bringen.
- Wir brauchen schnellstens in Hinblick auf den Cannabis-Konsum eine bundesweit einheitliche Eigenbedarfsmenge vergleichbar zur deutschlandweit einheitlichen Promillegrenze beim Alkohol. Das lässt sich schnell umsetzen.
- Wir brauchen die Entkriminalisierung der Cannabis-Konsumierenden, um die Polizei und Justiz zu entlasten und um damit den Weg für mehr Jugendschutz und Prävention frei zu machen. Verbote und Strafverfolgung haben den Konsum nicht verhindert, Aufklärung und Hilfe müsste vielmehr gestärkt werden, um den gesundheitsschädlichen Konsum zu reduzieren
- Wir brauchen eine ergebnisoffene Debatte und politische Entscheidung über die Einführung eines regulierten Cannabis-Marktes in Deutschland. Das wird spätestens bei den nächsten Koalitionsverhandlungen angesichts der Diskussionen in den Parteien auf der Tagesordnung stehen.
Daher wäre die Genehmigung von kommunalen Modellprojekten zur kontrollierten Abgabe von Cannabis und den damit verbundenen Präventionsprojekten jetzt ein gangbarer Weg. Nur so bekommen wir Erfahrungen und Kenntnisse, wie eine Regulierung aus einem Guss endlich funktionieren kann. Damit haben wir auch mehr Möglichkeiten zur Bekämpfung des Schwarzmarktes und der Kriminalität. Das Ermöglichen von Modellprojekten sollte daher den Bundesländern freigestellt werden.
Und wenn derzeit über Cannabis gesprochen wird, dann muss uns auch nach wie vor die Situation auf die medizinische Verwendung von Cannabis einen Blick kritischer Betrachtung wert sein.
In der letzten Legislaturperiode wurde die medizinische Behandlung durch Cannabis ermöglicht. Insbesondere die unzureichende Versorgungssituation bereitet uns neben der Auslegung der Therapiefreiheit des Arztes und den Kosten Probleme. Daher zeichnet sich jetzt schon ab, dass dieses Gesetz evaluiert und reformiert werden muss, unabhängig davon, ob Cannabis in Deutschland so wie z.B. in Kanada reguliert freigegeben wird.
Doch da eine Novellierung lange dauert, rege ich an, dass die Politik einen runden Tisch organisiert, an dem Betroffene, Krankenkassen, der MDK, das BMG und das zuständige Bundesamt sowie Ärzte über den Status quo diskutieren und Erleichterungen bei der Versorgung der Patientinnen und Patienten verabreden. Alle Rückmeldungen zeigen zur Zeit, dass es Handlungsbedarf gibt, zumal die Ablehnungsquote noch immer zu hoch ist.
Burkhard Blienert
Burkard Blienert war von 2013 bis 2017 Mitglied im Deutschen Bundestag und drogenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Er hat maßgeblich das Gesetz zur Legalisierung von Cannabis als Medizin mitgestaltet und setzt sich weiterhin für eine modernere Drogenpolitik ein, innerhalb seiner Partei und als Berater.