Pressemitteilung KFN+: Verkehrsfähigkeit von CBD-Blüten als pflanzliches Raucherzeugnis wird vom BVL geprüft

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KFN+

Pressemitteilung / Press release

 

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Betreff: Antrag auf Erlass einer Allgemeinverfügung– Verkehrsfähigkeit von CBD-Blüten als pflanzliches Raucherzeugnis wird vom BVL geprüft

 

Bisher gab es in der juristischen Literatur und in der Rechtsprechung der OLGs die Auffassung, dass keinerlei Hanfprodukte zu Konsumzwecken an den Endverbraucher abgegeben werden dürfen, seien es unverarbeitete Produkte wie Hanfblättertee oder CBD-Blüten, oder verarbeitete Produkte wie CBD-Öle oder sogar CBD E-Liquids. Die oberen Bundesbehörden wollten dagegen verarbeitete Produkte schon immer nur nach sektoralen Vorschriften beurteilt wissen und nicht nach dem BtMG. Aktuell laufen mehrere Verfahren selbst gegen Händler von Hanfblättertee, der seit Jahrzehnten im deutschen Einzelhandel angeboten wird. Vertritt man diese strenge Auslegung des BtMG, ist das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden insoweit nur konsequent.

 

Diese obergerichtliche Rechtsprechung hat der BGH am 24.3.2021 (Urteil vom 24. März 2021 – 6 StR 240/20) im sogenannten Hanfbar-Fall nun kassiert, indem er klargestellt hat, dass grundsätzlich auch unverarbeitete Hanfprodukte an den Endverbraucher abgegeben werden können, wenn der Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen ist. Und hier liegt das Problem: der BGH hat in der zitierten Hanfbar-Entscheidung nämlich auch festgestellt, dass das Landgericht Braunschweig den Missbrauch zu Rauschzwecken rechtsfehlerfrei festgestellt hat. Dort wurde angenommen, dass eine potenzielle Rauschwirkung und damit ein Missbrauch einzig und allein bei oraler Einnahme der Hanfblüten in Form vom Gebäck besteht. Wenn man 15g der Nutzhanf-Blüten in einen handelsüblichen Brownie mit einem Gewicht bis 90 g verarbeiten würde, wäre eine sofortige Aufnahme von 15 mg THC über den Magen möglich (allerdings bei Kosten um die ca. 150 € pro Verzehreinheit).

 

Sollte diese Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Missbrauch zu Rauschzwecken“ Bestand haben, wären die Produkte immer noch nicht frei verkehrsfähig und würden nicht unter die Ausnahmeregelung der Anlage 1 des BtMG fallen, da bei diesem absurden Beispiel ein Missbrauch zu Rauschzwecken niemals ausgeschlossen werden kann. Eine andere Frage ist natürlich, wie der BGH auch festgestellt hat, ob der Missbrauch zu Rauschzwecken auch vom Vorsatz des Händlers umfasst ist. Das dürfte in der Regel ausgeschlossen sein, ebenso wie dann eine entsprechende Verurteilung.

 

An diesem bestimmten Punkt bleibt die Situation also weiterhin unklar.


Der EuGH hat in seinem Urteil vom 19.11.2020 (Rechtssache C-663/18) einen wichtigen Rechtsgedanken geäußert: Hanfextrakte, und das darin enthaltene CBD, sind keine Betäubungsmittel, denn nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft ist nicht ersichtlich, dass sie eine berauschende Wirkung haben oder sonst eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen. Diese Feststellung, insbesondere im Zusammenhang mit der Warenverkehrsfreiheit innerhalb der Mitgliedsländer, einem der wichtigsten Rechtsgrundsätze der EU, wird bei der Beurteilung der Verkehrsfähigkeit von Nutzhanf als auch in strafgerichtlichen Verfahren von den Behörden und Gerichten der Mitgliedsländer zu beachten sein. Insofern geht man von einer de-facto Präjudizwirkung bei Urteilen des EuGHs aus.

 

In Luxemburg, Österreich und Belgien sind unverarbeitete Nutzhanfprodukte wie CBD-Blüten und der bereits erwähnte, seit Jahrhunderten konsumierte Hanfblättertee frei verkehrsfähig. Unserem Büro liegen entsprechende, amtliche Verkehrsfähigkeitsbescheinigungen aus diesen Ländern vor.

 

Auch deutsche Händler können sich deshalb auf den Grundsatz des freien Warenverkehrs gemäß Art. 34 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) berufen, wenn sie CBD-Blüten in den Verkehr bringen wollen. Um der Geltung des Europarechts seine volle Wirksamkeit zu verleihen, haben die Mitgliedstaaten gemäß einer entsprechenden EU-Verordnung Verfahren eingeführt, um die Verkehrsfähigkeit von Produkten, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat frei handelbar sind, schnell und unbürokratisch feststellen zu lassen. Nach unserer Auffassung sind hochpreisige CBD Blüten in Kleinstverkaufsmengen pflanzliche Raucherzeugnisse, die nach der Tabakproduktrichtlinie zu regulieren sind, wie auch in Belgien und Luxemburg geschehen. Hierfür bietet dann § 40 Tabakerzeugnisgesetz die Möglichkeit, beim BVL einen Antrag auf Erlass einer Allgemeinverfügung zu stellen, mit der festgestellt wird, dass diese Produkte auch in Deutschland verkehrsfähig sind.

 

Diesen Antrag haben wir heute beim BVL für einen unserer Mandanten eingereicht.

 

Beabsichtigt ist der Import von Nutzhanfblüten als pflanzliches Raucherzeugnis von der Firma Buddy Belgium aus Belgien, die diese Nutzhanfblüten zuvor aus der Schweiz von der Firma The Botanicals AG importiert hat.

 

Die Allgemeinverfügung, sobald sie erlassen ist, hat eine Wirkung für und gegen jedermann. Jeder Unternehmer wird sich auf die Allgemeinverfügung berufen können.

 

Aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich, dass das BVL die materielle Beweislast dafür trägt, dass dem Inverkehrbringen zwingende Gründe des Gesundheitsschutzes entgegenstehen. Die zwingendenden Gründe des Gesundheitsschutzes müssen hierbei in jedem Fall über die typischen Gefahren des Konsums von Erzeugnissen, die dem Tabakrecht unterliegen, hinausgehen. Die lebensfremden Annahmen der Rechtsprechung, wie eben erläutert (150 € Brownie für Rauschwirkung mit 15 mg THC), werden im Rahmen der erforderlichen, europarechtskonformen Auslegung des Gesundheitsschutzes nicht herangezogen werden können. Denn so würde der freie Warenverkehr weiterhin behindert werden, und das Europarecht nicht zu seiner vollen Geltung gelangen können.

Auch bei der strafrechtlichen Beurteilung wird die Allgemeinverfügung, sobald sie einmal erlassen ist, Beachtung finden müssen, wenn es um die Feststellung des Missbrauchs zu Rauschzwecken geht, der de facto, und bei europarechtskonformer Auslegung, ausgeschlossen ist.

 

Rechtsanwalt Kai-Friedrich Niermann, KFN+ Law Office

Rechtsanwalt Michael Lito Schulte, cannabizz.law

 

English version:

 

Application for the issuance of a general ruling – marketability of CBD flowers as a herbal smoking product is being examined by the BVL.

 

Until now, the legal literature and the jurisprudence of the OLGs were of the opinion that no hemp products whatsoever may be distributed to the end consumer for consumption purposes, be it unprocessed products such as hemp leaf tea or CBD flowers, or processed products such as CBD oils or even CBD e-liquids. The upper federal authorities, on the other hand, have always wanted processed products to be judged only according to sectoral regulations and not according to the  narcotic regulations (BtMG). Currently, several proceedings are underway even against distributors of hemp leaf tea, which has been offered in German retail stores for decades. If one follows this strict interpretation of the BtMG, the action of the prosecution authorities is only consistent in this respect.

 

This case law of the higher courts has now been overturned by the BGH (Federal Supreme Court) on March 24, 2021 (6StR240/20) in the so-called Hanfbar case by clarifying that, in principle, unprocessed hemp products can also be sold to the end consumer if the misuse for intoxication purposes is excluded. And this is where the problem lies: in the cited Hanfbar decision, the BGH namely also found that the Regional Court of Braunschweig had established abuse for intoxication purposes without any legal error. There it was assumed that a potential intoxicating effect and thus an abuse exists solely in the case of oral ingestion of the hemp flowers in the form of pastries. If 15g of industrial hemp flowers were processed into a commercial brownie weighing up to 90g, an immediate absorption of 15mg of THC via the stomach would be possible (albeit at a cost of around €150 per unit consumed).

 

If this interpretation of the constituent element „misuse for intoxication purposes“ were to hold, the products would still not be freely marketable and would not fall under the exemption of Annex 1 of the BtMG, since misuse for intoxication purposes can never be ruled out in this absurd example. Another question is of course, as the BGH also stated, whether abuse for intoxication purposes is also covered by the intent of the dealer. This is likely to be ruled out, as is then a corresponding conviction.

 

So at this particular point, the situation remains unclear.


The ECJ expressed an important legal idea in its judgment of 19.11.2020 (Case C-663/18): Hemp extracts, and the CBD they contain, are not narcotics because, based on the current state of science, it is not apparent that they have an intoxicating effect or otherwise pose a risk to human health. This finding, especially in the context of the free movement of goods within the member states, one of the most important legal principles of the EU, will have to be taken into account by the authorities and courts of the member states when assessing the marketability of commercial hemp as well as in criminal proceedings. In this respect, a de facto precedent effect is assumed for ECJ rulings.

 

In Luxembourg, Austria and Belgium, unprocessed commercial hemp products such as CBD flowers and the already mentioned hemp leaf tea, which has been consumed for centuries, are freely marketable. Our office has the corresponding Free Sales Certificates from these countries.

 

German traders can therefore also invoke the principle of the free movement of goods in accordance with Article 34 of the Treaty on the Functioning of the European Union (TFEU) if they wish to place CBD flowers on the market. In order to give full effect to the validity of European law, the member states have introduced procedures in accordance with a corresponding EU regulation to have the marketability of products that are freely tradable in another EU member state determined quickly and without red tape. In our opinion, high-priced CBD flowers in small quantities are herbal smoking products to be regulated under the Tobacco Products Directive, as has also been done in Belgium and Luxembourg. In this case, Section 40 of the Tobacco Products Act offers the possibility of submitting an application to the BVL (Federal Food Authority) for the issuance of a general ruling establishing that these products are also marketable in Germany.

 

We have submitted this application to the BVL today for one of our clients.

 

Intended is the import of industrial hemp flowers as a herbal smoking product from the company Buddy Belgium from Belgium, which has previously imported these  hemp flowers from Switzerland from the company The Botanicals AG.

 

The general ruling, once issued, has an effect for and against everyone. Every entrepreneur will be able to invoke the general ruling.

 

It follows from the wording of the provision that the BVL bears the burden of proof that compelling health protection reasons prevent the placing on the market. The compelling reasons of health protection must in any case go beyond the typical dangers of the consumption of products that are subject to tobacco law. The out-of-life assumptions of the courts, as just explained (€150 brownie for intoxication with 15 mg THC), will not be able to be used within the framework of the necessary interpretation of health protection in conformity with European law. This is because the free movement of goods would continue to be impeded and European law would not be able to achieve its full validity.

The general ruling, once issued, will also have to be taken into account in criminal law proceedings when it comes to establishing abuse for intoxication purposes, which is de facto, and if interpreted in conformity with European law, excluded.

 

Lawyer Kai-Friedrich Niermann, KFN+ Law Office

Attorney Michael Lito Schulte, cannabizz.law