Nachlese der MJBizConINT‘L in Toronto, medizinisches Cannabis in Deutschland, die WHO, Kanada und CBD

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Bob Hoban, Managing Partner of Hoban Law Group, Kai-Friedrich Niermann, Founder & Lawyer, KFN+, and Andrew Samann, Principal Consultant & CEO, Orion GMP Solutions, speak at MJBizConINT’L.

Die internationale Konferenz des Nachrichtenportals MJBiz Daily Mitte August in Toronto hat spannende Entwicklungen aufgezeigt, die die nächsten Jahre im Cannabis Markt prägen werden. So waren sich auch alle großen kanadischen Unternehmen einig, nach ihren erfolgreichen Bemühungen um Kapitalgewinnung, dass die Anstrengungen um Aufklärung und Ausbildung von Patienten und Ärzten sowie um die weitere Erforschung des Potenzials von Cannabis nicht nachlassen dürfen.

Dass diese Anstrengungen gerade für den deutschen Markt wichtig sind, zeigen die zuletzt veröffentlichten Zahlen des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen. So haben die gesetzlichen Krankenkassen bis April 2018 etwa 10 Millionen € an Medizinalhanfblüten und Cannabis-Zubereitungen erstattet, davon etwa 4,38 Millionen € allein für medizinischen Blüten. Rechnet man die privaten Patienten sowie die abgelehnten Anträge mit ein, ist für 2018 von einem Bedarf von schätzungsweise 3 t und 20.000-22.000 Patienten auszugehen. Sollten die Patientenzahlen nicht deutlich steigen, ist womöglich der Bedarf an medizinischen Hanfblüten für Deutschland durch den von der Cannabis Agentur überwachten eigenen, inländischen Anbau ab 2020 gedeckt. Das entsprechende Ausschreibungsverfahren läuft gerade. Weitere Importe aus den Niederlanden oder Kanada dürften dann wohl nicht mehr genehmigt werden.

Ebenfalls wurde in der letzten Woche ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus Juni 2018 bekannt, dass die mit einem Eilantrag verbundene Verfassungsbeschwerde eines Patienten mit Cluster-Kopfschmerzen abgelehnt hat. Der Patient hat die Kostenübernahme für das ihm verschiedene medizinische Cannabis bei seiner Krankenkasse begehrt, die eine Erstattung aber ablehnte, da eine gewisse Mindestevidenz im Sinne des Vorliegens erster wissenschaftliche Erkenntnisse, dass bei dem konkreten Krankheitsbild durch den Einsatz von Cannabinoiden ein therapeutischer Erfolg zumindest möglich erscheine, nicht vorliege. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ist inhaltlich nicht wegweisend, da die Beschwerde insbesondere aus formalen Gründen abgelehnt wurde. Dennoch ist davon auszugehen, dass auch zukünftig Anträge auf Erstattung der Kosten für medizinisches Cannabis nur bei einer entsprechenden Studienlage genehmigt werden. Das wird den Markt für medizinisches Cannabis und entsprechende Produkte in Deutschland weiterhin in seiner Ausdehnung beschränken.

Ähnliches war auch als Tenor auf der Konferenz in Toronto zu vernehmen: „If Europe says medical, it means medical.“ Die Gesetzesänderung von 2017 in § 31 Abs. 6 SGB 5, als Voraussetzung für eine Erstattung durch die Krankenkassen, geht davon aus, dass für eine Versorgung mit Cannabis eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome bestehen muss. Der Markt für medizinisches Cannabis in Deutschland wird deshalb weiterhin auf einen engen Kreis von Patienten begrenzt bleiben. Umso wichtiger ist es, dass die medizinischen Anwendungsbereiche von Cannabis weiterhin verstärkt erforscht werden.

Für kanadische Produzenten ergibt sich noch ein weiteres Problem. Kanada hat ab Oktober 2018 die Konsumenten von Cannabis entkriminalisiert und den Handel mit Cannabisprodukten legalisiert. Das INCB (Internation Narcotics Control Board) der Weltgesundheitsorganisation hat sich aktuell bereits sehr besorgt über diese Entwicklung geäußert. Uruguay, das ebenfalls Cannabis für den Freizeitgebrauch legalisiert hat, erhielt seinerzeit eine Warnung vom INCB, was dazu geführt hat, dass der Import von medizinischem Cannabis aus Uruguay nach Deutschland trotz bestehender Cannabisagentur von den deutschen Behörden abgelehnt wurde. Nach dem System der Suchtstoffübereinkommen von 1961, 1971 und 1988 sind alle Mitgliedsländer verpflichtet, den Besitz und den persönlichen Konsum von Cannabis, in Übereinstimmung mit verfassungsrechtlichen und grundlegenden Rechtsprinzipien des Mitgliedstaates, unter Strafe zu stellen.

Um weiterhin den Import von medizinischem Cannabis aus Kanada sicherzustellen, müsste eine entsprechende Warnung wie bei Uruguay ignoriert werden. Dann müsste aber auch die Position Uruguays als möglicher Exporteur nach Deutschland neu überdacht werden, sodass ein weiterer Wettbewerber in den Markt für medizinisches Cannabis drängen wird.

Die Veröffentlichungen des ECDD (Expert Committee on Drug Dependence), eines Komitees der Weltgesundheitsorganisation, geben allerdings Hoffnung, dass die internationalen Suchtstoffübereinkommen hinsichtlich Cannabis insgesamt neu bewertet und entsprechende Warnungen ausbleiben werden. Das ECDD hat beschlossen, Cannabis einer kritischen Bewertung zu unterziehen. Das Komitee stellt in Zweifel, ob die Aufnahme in die Liste der verbotenen Drogen des Suchtstoffübereinkommens von 1961 immer noch angemessen sei. Die nächste Sitzung des ECDD findet im November 2018 statt und könnte der Legalisierungsdiskussion in den europäischen Staaten, die sich traditionell eng an die Regularien dieser völkerrechtlichen Verträge halten, Auftrieb geben.

Das ECDD hat weiterhin empfohlen, dass Zubereitungen mit purem CBD nicht in den internationalen Suchtstoffübereinkommen gelistet werden sollten. Außerdem hat es festgestellt, dass CBD nicht toxisch ist, vom menschlichen Körper gut vertragen wird und ein gutes Sicherheitsprofil aufweist. Ausdrücklich gewarnt wurde vor unregulierten und unkontrollierten CBD-Produkten, die sowohl in betrügerischer Weise falsche Produktangaben machen als auch nicht bewiesene Gesundheitsversprechen abgeben.

Diese Feststellungen dürften der globalen CBD Industrie weiteren Auftrieb geben. Allerdings bleibt das Problem, dass für die derzeit üblichen Nahrungsergänzungsmittel, also Produkte unterhalb der Schwelle der medizinischen Anwendung, keinerlei Gesundheitsversprechen abgegeben werden dürfen, sofern hierfür kein wissenschaftlicher Nachweis erbracht wird. Hier müssen die Unternehmen weiter in die Forschung investieren, um das volle Marktpotenzial von CBD-Produkten langfristig ausschöpfen zu können. Produkte mit großem finanziellem und organisatorischem Aufwand auf dem Markt zu platzieren, ohne sagen zu können, warum der Konsument es kaufen sollte, macht keinen Sinn. Auf regulatorischer Ebene stehen in der EU hierfür zwei Möglichkeiten zur Verfügung: zum einen kann die Aufnahme von CBD-Produkten in die Gemeinschaftsliste zulässiger gesundheitsbezogener Angaben der europäischen Kommission begehrt werden (EU Register of nutrition and health claims made on food). Zum anderen gibt es die Möglichkeit, dass entsprechende CBD-Produkt als traditionelles pflanzliches Arzneimittel (wie zum Beispiel Ginkgo) registrieren zu lassen, sodass pharmakologische Wirkungen, sofern vorhanden, auch kommuniziert werden dürfen.

Rechtsanwalt Kai-Friedrich Niermann, KFN+