Verkehrsfähigkeit von CBD-Blüten als pflanzliches Raucherzeugnis und Hanfblättertee als Lebensmittel wird nun vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht geprüft – Marketability of CBD flowers as a herbal smoking product and hemp leaf tea as a foodstuff will now be examined by the Higher Administrative Court of Lower Saxony

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Verkehrsfähigkeit von CBD-Blüten als pflanzliches Raucherzeugnis und Hanfblättertee als Lebensmittel wird nun vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht geprüft

 

Im Gegenzug zu Deutschland, sind in Luxemburg, Österreich und Belgien unverarbeitete Nutzhanfprodukte wie CBD-Blüten und Hanfblättertee frei verkehrsfähig.

 

Auch deutsche Händler können sich deshalb auf den Grundsatz des freien Warenverkehrs gemäß Art. 34 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) berufen, wenn sie CBD-Blüten oder Hanfblättertee in den Verkehr bringen wollen. Um der Geltung des Europarechts seine volle Wirksamkeit zu verleihen, haben die Mitgliedstaaten gemäß einer entsprechenden EU-Verordnung Verfahren eingeführt, um die Verkehrsfähigkeit von Produkten, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat frei handelbar sind, schnell und unbürokratisch feststellen zu lassen. Hochpreisige CBD Blüten in Kleinstverkaufsmengen sind pflanzliche Raucherzeugnisse, die nach der Tabakproduktrichtlinie zu regulieren sind, wie auch in Belgien und Luxemburg geschehen. Hierfür bieten § 40 Tabakerzeugnisgesetz und § 54 LFGB die Möglichkeit, beim BVL einen Antrag auf Erlass einer Allgemeinverfügung zu stellen, mit der festgestellt wird, dass diese Produkte auch in Deutschland verkehrsfähig sind.

 

Diese Anträge haben wir am 26.3.2021 und 22.4.2021 beim zuständigen Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) für zwei unserer Mandanten eingereicht.  Nachdem diese Anträge vom BVL im Sommer des letzten Jahres abgelehnt wurden, haben wir in beiden Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BVL, sowohl eine Verpflichtungsklage erhoben, als auch eine sogenannte Regelungsanordnung beim Verwaltungsgericht Braunschweig beantragt.

 

Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat beide Eilanträge vor Weihnachten abgelehnt. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Braunschweig hat sich das BVL bei seiner Entscheidung auf vernünftige Gründe des Gemeinwohls und des Gesundheitsschutzes berufen können, da sowohl bei CBD-Blüten als auch bei Hanfblättertee ein Missbrauch zu Rauschzwecken nicht ausgeschlossen werden könne. Denn, so das BVL und das Verwaltungsgericht, es bestehe die Möglichkeit, dass dem Nutzhanf das THC entzogen werden könne, um es dann anschließend in Backwaren zu verarbeiten.

 

Gegen beide Entscheidungen haben wir nunmehr Beschwerde eingelegt und begründet. Beide Verfahren sind jetzt beim niedersächsischen Oberverwaltungsgericht anhängig.

 

Das erstinstanzliche Gericht hat beide Anträge zu Unrecht abgelehnt. Nach unserer Auffassung sind Gefahren, die durch Nutzhanf für die Gesundheit der Bevölkerung entstehen können, ausgeschlossen. Selbst der Sachverständigenausschuss beim BfArM, der die Bundesregierung bei Änderung des Betäubungsmittelgesetzes berät, hat im März letzten Jahres empfohlen, das Tatbestandsmerkmal des Missbrauchs zu Rauschzwecken zu streichen. Denn nur mit extrem hohen Kosten und langwierigen Prozeduren ist es möglich, dem Nutzhanf das psychoaktive THC zu entziehen, um damit dann theoretisch eine nur geringe Rauschwirkung in Backwaren zu erzielen.

 

Zum Schutz vor nur äußerst fernliegenden und hypothetischen Gefahren für die Bevölkerung ist ein Verbot ganzer Produktgruppen aus Hanf, wie pflanzliche Raucherzeugnisse und Tee-Lebensmittel, völlig unverhältnismäßig. Außerdem hat das Gericht die europarechtlichen Anforderungen an die Warenverkehrsfreiheit missachtet.

 

Die Angelegenheit wird nunmehr in der nächsthöheren Instanz als Eilverfahren entschieden. Mit entsprechenden Beschlüssen ist in den nächsten Monaten zu rechnen. Anschließend wird in das Hauptsacheverfahren übergegangen.

 

Rechtsanwalt Kai-Friedrich Niermann, KFN+ Law Office

 

English Version:

 

Marketability of CBD flowers as a herbal smoking product and hemp leaf tea as a foodstuff will now be examined by the Higher Administrative Court of Lower Saxony

 

In contrast to Germany, unprocessed commercial hemp products such as CBD flowers and hemp leaf tea are freely marketable in Luxembourg, Austria and Belgium.

 

Therefore, German traders can also invoke the principle of free movement of goods according to Article 34 of the Treaty on the Functioning of the European Union (TFEU) if they want to market CBD flowers or hemp leaf tea. In order to give full effect to the validity of European law, the member states have introduced procedures in accordance with a corresponding EU regulation to have the marketability of products that are freely tradable in another EU member state determined quickly and without red tape. High-priced CBD flowers in retail quantities are herbal smoking products that are to be regulated under the Tobacco Products Directive, as is also the case in Belgium and Luxembourg. In this case, § 40 of the Tobacco Products Act and § 54 of the German Food and Feed Code (LFGB) offer the possibility of submitting an application to the BVL for the issuance of a general ruling stating that these products are also marketable in Germany.

 

We submitted these applications to the responsible Federal Office of Consumer Protection and Food Safety (BVL) on March 26, 2021 and April 22, 2021 for two of our clients.  After these applications were rejected by the BVL in the summer of last year, we filed an action against the Federal Republic of Germany, represented by the BVL, in both proceedings and applied for a so-called regulation order at the Administrative Court of Braunschweig.

 

The Administrative Court of Braunschweig rejected both urgent applications before Christmas. According to the Administrative Court of Braunschweig, the BVL was able to invoke reasonable grounds of public welfare and health protection in its decision, as misuse for intoxication purposes could not be ruled out for both CBD flowers and hemp leaf tea. This is because, according to the BVL and the Administrative Court, there is a possibility that the THC could be removed from the commercial hemp in order to subsequently process it in baked goods.

 

We have now filed and substantiated appeals against both decisions. Both proceedings are now pending before the Higher Administrative Court of Lower Saxony.

 

The court of first instance was wrong to reject both applications. In our opinion, there is no danger to the health of the population from commercial hemp. Even the expert committee at the BfArM, which advises the federal government on amendments to the Narcotics Act, recommended in March of last year that the element of abuse for intoxicating purposes be deleted. Because it is only possible to extract the psychoactive THC from commercial hemp at extremely high cost and with lengthy procedures theoretically to then achieve only a slight intoxicating effect in baked goods.

 

In order to protect against only extremely remote and hypothetical dangers for the population, a ban on entire product groups made from hemp, such as herbal smoking products and tea foods, is completely disproportionate. In addition, the court disregarded the European law requirements for the free movement of goods.

 

The matter will now be decided in the next higher instance in a so called urgent proceeding. Corresponding decisions can be expected in the next few months. Subsequently, the main proceedings will be initiated.

 

Kai-Friedrich Niermann, Lawyer, KFN+ Law Office

 

Bildnachweis: von Bubo – Selbst fotografiert, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4276446