Jamaika und das Cannabiskontrollgesetz

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Einige Anmerkungen zur praktischen Umsetzung, von Rechtsanwalt Kai-Friedrich Niermann (Paderborn)

Nehmen wir einmal an, die Jamaika-Koalitionäre gehen heute Abend auseinander und beschließen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Nehmen wir weiter an, dass die Grünen im Verbund mit der FDP es schaffen, die vollständige Freigabe von Cannabis zu erreichen und ihr Cannabiskontrollgesetz in den Verhandlungen von Mitte Dezember bis kurz vor Weihnachten durchzubringen. Nehmen wir weiter an, dass das Cannabiskontrollgesetz dann vom Bundestag im Mai oder Juni beschlossen wird, dann stehen Deutschland große Änderungen und in vielen Bereichen noch größere Herausforderungen bevor.

Das Cannabisgesetz sieht die Möglichkeit der Beantragung von Anbaulizenzen, Großhandelslizenzen sowie Einzelhandelslizenzen, sogenannte Fachgeschäfte, vor. Ferner können Einfuhr und Ausfuhrlizenzen beantragt werden. Besondere Vorkenntnisse sind nicht erforderlich, es muss lediglich die üblicherweise zu verlangende Zuverlässigkeit, wie im Gaststättenrecht zum Beispiel, vorliegen und beim Geschäftsinhaber dürfen keine einschlägigen Vorstrafen bestehen.

Geht man nach konservativen Schätzungen davon aus, dass pro Woche 10 t Cannabis in Deutschland konsumiert werden, ergibt dies einen Jahresbedarf von 520 t. In der Produktion von Cannabis geht man davon aus, dass ein m² einen Ertrag von 440 g erbringen kann, was bei einem Erntezyklus von 52 Tagen ca. 7 Ernten pro Jahr ermöglicht. Man benötigt also allein 180.000 m² reine Anbaufläche, um dem Bedarf von Deutschland zu 107% zu decken.

Bricht man diese Zahlen auf eine durchschnittliche Kommune wie Paderborn mit einer Einwohnerzahl von 140.000 herunter, ergäbe dies eine benötigte Anbaufläche von 307 m². Bei einer im Cannabiskontrollgesetz vorgesehenen Steuer von 4 €, bei Produktionskosten von 1 €, bei Kosten für den Großhandel von 2 € sowie bei Kosten für die Fachgeschäfte von 3 € pro Gramm ergebe sich ein Grammpreis von insgesamt 10 €, der dem Preis auf dem derzeitigen Schwarzmarkt entspricht. Der Spagat wird sein, den Preis nicht zu hoch zu treiben, um auch tatsächlich, wie beabsichtigt den Schwarzmarkt austrocknen zu können.

Allein für Paderborn ergebe sich bei diesem Verkaufspreis ein Umsatz beim Anbau in Höhe von ca. 890.000 €, beim Großhandel von 1,8 Millionen €, und bei den Fachgeschäften von 2,6 Millionen €.

Das Cannabiskontrollgesetz sieht allerdings zahlreiche Vorschriften bezüglich der Qualitätssicherung, der Sicherung der Produktionsanlagen, der Sicherung des Jugendschutzes und der Prävention vor. So müssen die Produktionsanlagen mit Zäunen und Alarmanlagen gesichert werden, der Transport von Cannabis unterliegt bestimmten Sicherheitsauflagen, die Fachgeschäfte müssen ihr Personal am Beginn schulen und regelmäßige Nachfolgeschulungen nachweisen sowie ein umfangreiches Sozialkonzept erstellen. Ferner müssen die Verpackungen umfangreich gesichert und mit zahlreichen Warn- und Aufklärungshinweisen gestaltet werden.

Ob es für die zahlreichen, bisher illegalen Cannabisproduzenten möglich sein wird, diese Anforderungen in Gänze zu erfüllen und aus der Illegalität herauszutreten, bleibt zu bezweifeln. Es ist daher zu erwarten, dass große Investoren mit größeren Anlagen auf den Markt drängen werden, die allein aufgrund ihrer Kapazität in der Lage sind, kostengünstiger zu wirtschaften.

Sodann würde im 2. Halbjahr 2018 ein Wettlauf um die begehrten Lizenzen für Anbau, Großhandel, Import, Export und Fachhandel beginnen. Eine zahlenmäßige Beschränkung der Erlaubnisse ist vom Cannabiskontrollgesetz nicht vorgesehen, es können also beliebig viele Anbauflächen oder Fachgeschäfte betrieben werden. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Behörden zunächst völlig überlastet sind und die Anträge zuerst genehmigen, die vollständig ausgearbeitet sind und denen ein in technischer und betriebswirtschaftlicher Hinsicht überzeugendes Konzept zu Grunde liegt.

Es ist somit allen Interessenten, die in diesem neuen, strikt regulierten Markt agieren wollen, sich rechtzeitig auf die neue Situation einzustellen und bereits jetzt technische Betriebskonzepte, Investitionskonzepte und Rendite- und Liquiditätsberechnungen zu entwickeln. Die Zeit könnte ab morgen früh zu laufen beginnen.

RA Kai-Friedrich Niermann
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