Impulsvortrag beim ersten German Patient RoundTable am 08.03.2018 im Maritim Hotel Pro Arte, Berlin

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Vielen Dank für die kurze Vorstellung, Phil, und vielen Dank natürlich, heute hier sein zu können. Ich bin Kai-Friedrich Niermann, Rechtsanwalt aus Paderborn und habe Phil im November hier in Berlin auf der Cannabis Normal Konferenz vom Deutschen Hanfverband kennen gelernt. Phil hat sich als Patientenanwalt aus Kalifornien vorgestellt, der jetzt in Deutschland lebt. Kalifornien hat eine weitaus längere Geschichte der Legalisierung von medizinischen Cannabis. Die Legalisierung von medizinischen Cannabis war im November 2017 gerade mal in Deutschland sechs Monate alt. Zuvor gab es nur eng begrenzte Ausnahmegenehmigungen.

Leider sind wir im März 2018 nur wenig weiter als vor dem Rechtszustand im April 2017. Es gibt viel zu wenige Ärzte, die sich mit dem Thema auskennen und bereit wären, bei einschlägigen Krankheiten Cannabis als Medizin zu verschreiben. Und die Krankenkassen lehnen gestellte Anträge auf Kostenübernahme für medizinisches Cannabis größtenteils ab.

Aus meiner beruflichen Erfahrung weiß ich, dass Schmerz eine Volkskrankheit ist, die unzählige Kliniken mit hochspezialisierten Schmerzspezialisten vorhalten muss. Die moderne Gesellschaft scheint krank zu machen. Die Kosten für die Gesundheitsvorsorge sind immens. Viele der Patienten gelten als austherapiert, eine Linderung ist trotzdem nicht in Sicht.

Da Cannabis über Jahrzehnte in Deutschland kriminalisiert war, ist es kein Wunder, dass sich weder bei den Ärzten noch bei dem Patienten ein Bewusstsein für die Möglichkeiten dieser Pflanze entwickelt hat. In Deutschland gab es keinerlei wissenschaftliche, staatliche, oder privatwirtschaftliche Basis, die sich mit den Möglichkeiten dieser Schmerztherapie auseinandergesetzt hat.

In Paderborn, wo ich her komme, winkt jeder Arzt bei diesem Thema ab, und die Schmerzpatienten haben nicht einmal die geringste Vorstellung davon, dass medizinisches Cannabis eine alternative Therapie sein könnte. Und die Situation im Rest der Republik ist nicht viel anders.

Dabei sind die Möglichkeiten des Einsatzes von medizinischen Cannabis riesig und noch lange nicht abschließend wissenschaftlich definiert. Mit der derzeitigen Situation, dass nur aus wenigen Ländern importiert werden kann, die sicherheitstechnischen und bürokratischen Anforderungen für Importeure in Deutschland hoch sind, das das Ausschreibungsverfahren der Cannabisagentur fehleranfällig und undurchsichtig war, und die ausgeschriebene Menge viel zu gering ist, kann sich niemand zufrieden stellen.

So ist weder den Patienten gedient, die auf die regelmäßige Einnahme von medizinischen Cannabis angewiesen sind. Und so ist weder den Patienten gedient, die austherapiert sind und überteuerte Schmerztherapie in Hightech-Kliniken über sich ergehen lassen müssen, auf Kosten der Solidargemeinschaft wohlgemerkt. Über letzteres können sich nämlich nur  die Pharmafirmen und die Ärzte freuen,  nicht aber die Patienten oder die Versichertengemeinschaft.

Darüber hinaus ist damit auch nicht den Interessen der Unternehmen gedient, die viel Forschungsaufwand und Investitionen in die Entwicklung medizinischer Cannabisprodukte stecken, ohne zu wissen, ob sich die Investitionen im deutschen Markt auch langfristig rechnen werden.

Aus Patientensicht müsste meiner Ansicht nach ein Aktionsplan 2018 auf die Schaffung eines Bewusstseins bei Ärzten und Patienten gerichtet sein, sich mit den Möglichkeiten von medizinischen Cannabis bei den verschiedenen Anwendungsbereichen verstärkt auseinander zu setzen.

Gleich zeitig müssen die Krankenkassen unter Druck gesetzt werden, sollten Sie eine Übernahme der Kosten verweigern. Ein durchschnittliches Sozialgerichtsverfahren kostet einen Versicherten in der ersten Instanz 940 €, bis zum Abschluss der Instanz 2.850,05 €, allerdings erst nach drei Jahren. Bei bedürftigen Patienten trägt der Staat die Kosten, ansonsten kommen Rechtschutzversicherungen für diese Kosten auf. Betroffenen Patienten ohne Anspruch auf Prozesskostenhilfe ist also unbedingt anzuraten, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen und die Wartezeit von drei Monaten abzuwarten, bevor ein Antrag auf Kostenübernahme gestellt wird. Wenn die Übernahme der Kosten dann verweigert wird, sollten Patienten nicht zögern, ein gerichtliches Verfahren anzustrengen. So ist sichergestellt, dass bei Krankenkassen, Gerichten und der Regierung maximaler Druck aufgebaut wird.

Und nur so kann Cannabis als Medizin effektiv einen gesellschaftlichen Nutzen sowohl für den Einzelnen, für die Allgemeinheit als auch für die Unternehmen leisten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Rechtsanwalt Kai-Friedrich Niermann

RA Kai-Friedrich Niermann
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